Genehmigungspflicht bei unterbringungsähnlichen Maßnahmen
Gitterbett und Beckengurt:
Ist eine familiengerichtliche Genehmigung nach § 1631 b BGB erforderlich?
Viele schwerst mehrfach behinderte Kinder müssen aus Sicherheitsgründen mit einem Beckengurt im Rollstuhl fixiert werden. Sind sie in der Lage, sich selbständig zu bewegen, wird es in der Regel auch notwendig sein, ihr Bett mit einem Bettgitter zu versehen, um Stürze zu vermeiden.
Bedürfen solche Sicherungsmaßnahmen der familiengerichtlichen Genehmigung nach § 1631 b BGB? Nach dieser Vorschrift bedarf eine Unterbringung des Kindes, die mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist, der Genehmigung des Familiengerichts.
Es gibt Stimmen, die dies bejahen mit dem Hinweis, dass auch Maßnahmen, mit denen einem Kind durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder ähnliches zwar nicht umfassend, aber doch zeitweise über einen längeren Zeitraum die Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird, eine Freiheitsentziehung im Sinne des § 1631 b BGB darstellen.
Dieser Gedanke liegt nahe, da beim volljährigen Behinderten gem. § 1906 Abs. 4 BGB die Genehmigungsbedürftigkeit sog. unterbringungsähnlicher Maßnahmen besteht.
In diesem Sinne argumentierte die private Pflegeversicherung gegenüber einer Familie, die für ihr schwerst behindertes, aber sehr agiles Kind ein Pflegebett mit einem höheren Gitter beantragt hatte, und führte folgendes aus: „Die Notwendigkeit von besonders hohen Bettgittern steht grundsätzlich nicht im Zusammenhang mit der Erleichterung der Grundpflege. In diesen Fällen müssen die Grundsätze für freiheitsentziehende Maßnahmen berücksichtigt werden. Hierzu benötigen wir zur Klärung zwingend einen gerichtlichen Beschluss, in dem das Anbringen von höheren Seitengittern erlaubt wird.“
Auf den ersten Blick scheint diese Argumentation überzeugend, da – wie bereits oben dargelegt - freiheitsentziehende Maßnahmen grundsätzlich der gerichtlichen Genehmigung bedürfen.
Die Pflegekasse verkennt jedoch, dass es sich bei der Fixierung mit einem Beckengurt im Rollstuhl bzw. bei der Ausstattung des Bettes mit Gittern nicht um freiheitsentziehende Maßnahmen handelt.
Eine Freiheitsentziehung liegt nur vor, wenn die persönliche Bewegungsfreiheit des Kindes gegen seinen natürlichen Willen allseitig und umfassend beeinträchtigt wird, insbesondere durch Einschließung und Einsperrung. Eine solche allseitige und umfassende Einschränkung der Bewegungsfreiheit ist in den erwähnten Sicherungsmaßnahmen jedoch nicht zu sehen.
Das Anlegen eines Gurtes im Rollstuhl dient zunächst zur Herstellung der Mobilität und stellt schon aus diesem Grund keine freiheitsentziehende Maßnahme vor.
Auch das Gitterbett stellt keine umfassende Beschränkung der Freiheit dar, da das Kind in dem Gitterbett nur übernachtet.
Es handelt sich lediglich um unterbringungsähnliche Maßnahmen, die nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht unter § 1631 b BGB fallen. Auch für eine analoge Anwendung des § 1906 Abs. 4 BGB ist kein Raum (BT Drucksache 16/6815).
Der Gesetzgeber hat diese Entscheidung damit begründet, dass die staatliche Verantwortung und Kontrolle um Bereich des Erziehungsrechts deutlich eingeschränkt sind. Das Recht der Eltern beruhe auf dem natürlichen Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern und tritt unmittelbar kraft Gesetzes ein. Deswegen dürfen die Eltern – unabhängig vom Geisteszustand des Kindes – auch im Bereich der Gesundheitsvorsorge weitreichende Maßnahmen zum Wohl des Kindes in eigener Verantwortung treffen.
Daraus folgt:
Freiheitsbeschränkende Maßnahmen zur Sicherung eines Kindes wie Bettgitter und Beckengurt bedürfen nicht der familiengerichtlichen Genehmigung, sondern sind von den Eltern in eigener Verantwortung zu treffen (AG Hamburg-Barmbek 24.06.2008, 887 F 49/06, FamRZ 2009, 792).